Montag, 5. September 2011

Vegeudete Lebenszeit oder Wie das Arbeitsamt mir mein Leben zur Hölle macht

Montag, 05. September 2011

Ich bin kurz davor meinen ALG-Antrag zurückzuziehen!

Heute Morgen bin ich gegen 10 Uhr Richtung Arbeitsagentur gefahren mit der Absicht einige meiner Unterlagen zum Antrag abzugeben und außerdem mir die Genehmigung einzuholen, ein Praktikum von 5 Tagen machen zu dürfen. Schon allein der Fakt, dass ich mir das genehmigen lassen muss, macht mich wütend. Aber da komme ich wohl nicht drum rum, weil ich am Mittwoch schon beginne und deshalb meinen Vermittlungstermin an diesem Morgen nicht wahrnehmen werden kann.

So treffe ich nach einer halbstündigen Fahrradfahrt durch warmen Nieselregen total verschwitzt ein und stelle mich in eine der langen Reihen im Eingangsbereich, wo meine Mitleidenden mindestens genauso verschwitzt und anscheinend häufig auch ungewaschen um mich herum warten. Das führt dann dazu, dass wir nicht nur wie Schafe zur Scherung aufgereiht und aneinander gedrängt warten, sondern dabei auch noch eine dicke Luft einatmen müssen, die nach Schweiß, Alkohol und billigem Weichspüler riecht.

Ich verbringe etwa hier eine halbe Stunde Wartezeit, die gefühlt mindestens doppelt so lange dauert, da ich zwischen einer dicken Russin und einem etwas zwielichtig aussehenden Mann eingeklemmt bin. Dabei stelle ich mir die Frage, ob an diesem Ort nicht häufig Wertgegenstände abhandenkommen und klammere mich deshalb an meinen Rucksack, den ich vorsichtshalber vom Rücken genommen habe. Als ich nun endlich vor einem der Schalter stehe, sitzt mir eine Beamtin mittleren Alters samt Praktikantin gegenüber und ich reiche ihr meinen Datenschein. Nachdem ich ihr erkläre, dass ich meine ALG II-Unterlagen abgeben will, nimmt sie sie zunächst entgegen und sieht sie durch. Da ich ihr meine BG-Nummer (Nummer der Bedarfsgemeinschaft) nicht nennen kann, weil ich diese nicht mitgeteilt bekommen habe, durchsucht sie mehrere Minuten ihren Computer. Als ich ihr dann erzähle, dass ich auch bei meiner Vermittlerin zwecks Genehmigung meines Praktikums vorsprechen möchte, gibt sie mir kurzerhand die Unterlagen wieder zurück und ich darf - nicht ohne meinen Protest auszudrücken – in einem Warteraum „Abteilung Ost“ Platz nehmen.

Da mir schon klar ist, dass die mir da auch nur die Unterlagen abnehmen, um mich dann zur Vermittlerin zu schicken. Setze ich mich kochend vor Wut für eine weitere dreiviertel Stunde in den Warteraum und sinniere dabei über meine hier verschwendete Lebenszeit. Immer mehr fühle ich mich wie Teil einer Herde, die von Raum zu Raum, statt von Weide zu Weide gescheucht wird. Die Beamten sind natürlich die Schäferhunde und Vater Staat der „gute“ Hirte?!? Ich glaube nicht.

Verzweifelt versuche ich mich mit meinem mitgebrachten Roman abzulenken, wobei mir auffällt, dass fast niemand ein Buch oder einen anderen Zeitvertreib mitgebracht hat. Sind die Menschen hier denn wirklich schon so abgestumpft? Nach zwei Kapiteln kann ich fast nicht mehr. Der Gestank und das ständige Gemurmel der Beamten hinter den Trennwänden machen mich immer wütender. Wieso muss ich mir die Genehmigung dafür holen, ein Praktikum zu machen, dass mich letztendlich qualifizierter macht und zeigt, dass ich nicht nur faul rumsitzen möchte? Warum kann ich mein Leben nicht selbst bestimmen? Warum bringe ich heute zu zweiten Mal einen dicken Stapel Unterlagen, obwohl ich genau weiß, dass sie immer noch nicht vollständig sind und mich frage, ob sie das jemals sein werden? Warum mache ich das hier alles mit? Bin ich denn die Einzige hier, die noch nicht gebrochen ist und das hier alles hinnimmt, ohne Wiederrede?

Als ich nun endlich aufgerufen werde, verbringe ich 3 Minuten am Tisch der Bearbeiterin, der ich die Unterlagen hinterlasse und dafür die bissige Bemerkung ernte: „Aber mehr als die annehmen kann ich jetzt eh nich!“ Sofort bekomme ich eine Zimmernummer mitgeteilt, wo ich mein Praktikumsanliegen vortragen darf.

An diesem Zimmer angelangt, klopfe ich an und trete ein. Eine Frau um die Vierzig sitzt an ihrem Schreibtisch und fragt: „Sind Sie Frau Weismann?“ „Genau“, sage ich und setze mich. Sie bittet mich, ihr zu erklären, was ich eigentlich machen will und warum. Nachdem ich ihr das Schreiben der Praktikumsbetreuerin mit einigen Erklärungen übergeben habe, fragt die Frau in einem plötzlich sehr lehrerhaften und rüden Ton, ob ich denn eigentlich bei dem Praktikum versichert sei. Ich antworte, dass ich es nicht wüsste und sie schaut mich vorwurfsvoll an und meint: „Sie sind sich schon im Klaren darüber, dass sie über uns NICHT versichert sind, wenn sie ein Praktikum machen!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, sagt sie, dass ich mich dazu erkundigen soll und genehmigt mir ohne weitere Nachfrage die „Abwesenheit“. Als ich sie darauf hinweise, dass ich ja nun den Termin am Mittwochmorgen nicht wahrnehmen könne, sagt sie, dass ich einen neuen Termin zugeschickt bekäme. Da mir die Gepflogenheit, Termine vorgesetzt zu bekommen gehörig auf den Geist geht, frage ich, ob ich den Termin nicht selbst ausmachen könne, schließlich habe ich ja auch manchmal Pläne. Daraufhin schiebt sie mir einen Zettel mit einer Nummer über den Tisch und meint, dass ich ja hier anrufen könne, wenn ich eine Frage hätte. Damit ist die Audienz beendet und ich verlasse das Amt, vorbei an den Schlangen wartender, stinkender, blökender Schafe. Nach fast zwei Stunden vergeudeter Lebenszeit, bin ich den Tränen nahe und fühle mich zwar nicht gebrochen, doch aber gedemütigt ob der schieren Bürokratie und Unmenschlichkeit, die in diesem Gebäude herrschen.

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